Manchmal muss man über Dinge sprechen, die einfach unangenehm sind. Um niemanden zu verletzen, neigen wir ganz diplomatisch zum Schönreden. Es klingt ja auch viel besser, wenn wir dem Kollegen sagen, dass man seine Präsentation noch ein bisschen optimieren kann, statt offen zu kommunizieren, dass sie einfach schlecht ist.
Aber wo ist die Grenze, an der wir uns mit Schönreden keinen Gefallen mehr tun? Wann wird es sogar schädlich, Dinge künstlich attraktiv darzustellen, also sie mit einem verbalen Zuckerguss zu überziehen? Das ist eine Gratwanderung, die viel Fingerspitzengefühl erfordert. Denn Worte haben Macht, die wir immer auch bewusst einsetzen müssen.
Warum Schönreden?
Den meisten von uns liegt es fern, andere Menschen zu verletzen oder einen Konflikt zu beginnen. Wenn wir uns damit konfrontiert sehen, ein schwieriges Thema anzusprechen, setzt uns das unter Stress: Wie sage ich meinem Gegenüber, dass z. B. seine Leistung nicht gut ist?
Diplomatische Formulierungen haben also durchaus ihren Platz in unserer Gesellschaft. Ohne sie wäre das menschliche Miteinander kaum möglich, oder würde zumindest von deutlich mehr Konflikten regiert werden.
Schwierig wird es, wenn wir nicht mehr diplomatisch formulieren, sondern mit schönen Worten alles tun, um uns nicht mit einer unbequemen Wahrheit auseinandersetzen zu müssen.
Diplomatie vs Schönreden
Es sind zwei sehr verschiedene Dinge: Diplomatie und Schönreden. Diplomatie ermöglicht es, auch schwierige Themen anzusprechen und zugleich möglichst wenige Konflikte zu schüren. Es wird noch immer die Wahrheit behandelt, aber sie wird ein wenig erträglicher dargestellt.
Schönreden ist auf der anderen Seite immer auch eine Flucht vor Tatsachen, mit denen man sich nicht beschäftigen möchte. Einen stark übergewichtigen Menschen als kräftig gebaut zu bezeichnen, hat nur noch wenig mit Diplomatie zu tun. Die schlechte Arbeitsleistung eines Kollegen als optimierbar zu beschreiben, verschließt ebenfalls die Augen dafür, dass sie schlichtweg schlecht ist. Deshalb ist auch oft vom sugar-coating die Rede: Wie eine schöne Schicht Zuckerguss sind diese Worte eine Verzierung, die schön anzusehen ist.
Der schmale Grat
Während Diplomatie auf jeden Fall ihren festen Platz in unserer Gesellschaft hat, kann das Schönreden sehr viel Schaden anrichten. Es verschleiert unangenehme Tatsachen und verführt dazu, auch weiterhin die Augen davor zu verschließen. Das wird besonders kritisch, wenn es dabei um dich selbst geht:
Eigentlich ernährst du dich doch ganz gesund, immerhin isst du zweimal in der Woche bewusst einen Salat? Außerdem bist du nicht übergewichtig, sondern „curvy“. Und überhaupt musst du nicht auch noch Sport machen, weil du ja eigentlich schon sehr viel läufst.
Der schmale Grat besteht darin, dass diplomatische und nette Formulierungen fließend in ein Schönreden übergehen. Während es auf der einen Seite wichtig ist, sich auch auf die positiven Dinge im Leben zu konzentrieren und sich nicht von Negativem herunterziehen zu lassen, ist es gleichzeitig auch schädlich, ganz die Augen davor zu verschließen. Denn damit du Probleme angehen kannst, musst du sie als solche wahrnehmen und dich damit beschäftigen – auch, wenn das nicht immer schön ist.
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