Selbstfindung über ein – vermeindliches – Kinderbuch? Wer den 1974 erschienenen Roman „Momo“ von Michael Ende kennt, wird sich an die grauen Herren erinnern, welche die Menschen um ihre Zeit betrügen. Unter dem Vorwand, ihnen beim Zeit sparen zu helfen, führen die grauen Herren die Menschen in ein gehetztes Leben, in dem es nur noch darum geht, effizient und zeitsparend möglichst viele Aufgaben zu erledigen und nichts „Unnötiges“ mehr zu tun.
„Momo“ ist dabei kein Kinderbuch, sondern gerade auch für Erwachsene ein Augenöffner, die von der jungen Protagonistin viel für ihre eigene Selbstfindung lernen können.
Die grauen Herren sind unter uns
Die Geschichte von „Momo“ kommt dir bekannt vor? Zu Recht, denn unsere Gesellschaft steckt voller grauer Herren. Von morgens bis abends wirst du gedrängt, Zeit zu sparen, mehr zu leisten und auf unnötige Zeitverschwendungen zu verzichten, um noch mehr arbeiten zu können. Und ganz oben auf der Liste dieser Zeitverschwendungen stehen Spaß und die kleinen Auszeiten, die du dir jeden Tag gönnen solltest.
Was du von der vielen eingesparten Zeit hast? Genauso viel wie die Menschen in Endes Roman: Gar nichts. Auch, wenn sie Stunden um Stunden gespart haben, sind sie in ihrer tristen Welt gefangen und rennen nur der nächsten gesparten Stunde nach.
Als Straßenkehrer zur Selbstfindung finden
Ebenso wichtig wie Momo und die grauen Herren ist Beppo Straßenkehrer, der eine einfache und tiefe Weisheit offenbart: Denke nicht an die Geschwindigkeit, mit der du eine Straße kehren könntest und das Ende der Aufgabe, sondern nur an den nächsten Schritt, den nächsten Besenstrich. Lasse jedem Teil einer Aufgabe die nötige Aufmerksamkeit zukommen, statt nur auf das Ziel zu starren.
Von Beppo kannst du lernen, den Moment zu leben und jeden Augenblick voll auszuschöpfen, statt für ein unbestimmtes Ziel in der fernen Zukunft zu schuften und dabei das Leben an dir vorbeiziehen zu lassen. Selbst einfache und kleine Aufgaben können erfüllend und beinahe meditativ sein. Was auf den ersten Blick eintönig wirken mag kann das ideale Feld zur Selbstfindung sein. Denn wer nur ans Zeit sparen denkt, zahlt am Ende immer drauf.
[…] Ziele verfolgst du immer auf der Ebene des Verstandes, Absicht dagegen ist die Ebene des Unbewussten. Durch neutrale Beobachtung des Selbst und dem allmählichem Erkennen des funktionierenden Verstandes, kannst du direkte Erfahrung des Bewusstseins erlangen. Mit einem widerspenstigen und undisziplinierten Verstand dagegen, kannst du kein höheres Bewusstsein erreichen oder auf höhere Sinnes-Wahrnehmungen oder dem Unbewussten zugreifen. Der Prozess ist reine Selbst-Beobachtung. Was DU gewinnst ist mehr Selbst-Bewusstsein. […]